Mitbestimmung ohne Grenzen – Rechte ohne Hintertür

© Alona Horkova

Betriebsräte sollen mitreden können – auch wenn Entscheidungen nicht nur in Essen, Dortmund oder München getroffen werden, sondern in Ghent, Rotterdam oder Turin. Genau darum geht es bei den Europäischen Betriebsräten: Sie vertreten die Interessen von Beschäftigten in Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind. Und sie sollen künftig mehr können – nicht nur zuhören, sondern schlagkräftig mitgestalten. Europäisches Parlament, Rat und Kommission haben sich jetzt im Mai auf eine Reform der Eurobetriebsräte-Richtlinie geeinigt. Damit endet ein jahrelanges Ringen – und ein Reformstau, der den Beschäftigten viel zugemutet hat.

Was ist beschlossen worden?

Die Reform bringt klare Verbesserungen für die Interessenvertretung in großen, europaweit tätigen Unternehmen:

  • Altverträge verlieren ihren Schutzstatus: Auch Unternehmen, die sich bislang auf alte Sondervereinbarungen aus der Zeit vor 1996 berufen konnten, müssen zukünftig einen Eurobetriebsrat einrichten – diese Ausnahmeregelung wird endlich abgeschafft.
  • Rechte werden verbindlicher: Eurobetriebsräte müssen rechtzeitig informiert und angehört werden – nicht erst, wenn alles entschieden ist.
  • Sanktionen bei Verstößen: Unternehmen, die ihre Betriebsräte ignorieren oder zu spät informieren, müssen künftig mit gerichtlichen Verfahren rechnen – einschließlich Unterlassungsklagen und einstweiliger Verfügungen.

„Diese Reform stärkt die Eurobetriebsräte. Künftig können Verstöße gegen Beteiligungsrechte geahndet werden – durch Unterlassungsklagen, einstweilige Verfügungen und Sanktionen. Unternehmen, die Betriebsräte ignorieren, müssen künftig mit echtem Gegenwind rechnen“, sagt Jens Geier.

Warum war das nötig?

Trotz bestehender Regeln konnten sich viele Unternehmen bislang weitgehend entziehen: Mit Verweis auf alte Vereinbarungen, durch unklare Rechtsbegriffe oder weil es schlicht keine effektiven Sanktionsmöglichkeiten gab. Für die Beschäftigten bedeutete das oft: Betriebsräte wurden erst nachträglich informiert – wenn es zu spät war, etwa bei Standortschließungen, Umstrukturierungen oder Verlagerungen. Eine Beteiligung auf Augenhöhe war selten.

Ein hart erkämpfter Fortschritt

Dass die Reform überhaupt zustande kam, war kein Selbstläufer. Rechte und Konservative haben versucht, sie von Beginn an zu stoppen. Doch der Angriff scheiterte. „Dass wir diese Reform trotz massiver Widerstände durchsetzen konnten, ist alles andere als selbstverständlich. Rechte Fraktionen und Teile der konservativen EVP – darunter viele Abgeordnete von CDU und CSU – wollten das verhindern. Dass sie damit gescheitert sind, macht mich schon ein bisschen stolz“, so Jens.

Warum das wichtig ist

Gerade in Deutschland – und besonders in Nordrhein-Westfalen – gibt es viele Standorte großer Konzerne, deren zentrale Entscheidungen längst auf europäischer Ebene getroffen werden. Für Beschäftigte in diesen Unternehmen ist klar: Echte Mitbestimmung endet nicht an Landesgrenzen. „In einer Welt, die sich immer schneller dreht, brauchen Menschen Schutz und Verlässlichkeit – auch und gerade bei der Interessenvertretung. Diese Reform gibt Eurobetriebsräten klarere Rechte, mehr Schlagkraft und verbindlichere Mitbestimmung“, sagt Jens.

Mit der Reform der Eurobetriebsräte-Richtlinie bekommt die europäische Mitbestimmung endlich ein Update, das sie dringend gebraucht hat. Weniger Schlupflöcher, mehr Rechte, klare Verfahren. Für Beschäftigte ist das eine gute Nachricht. Und für Europa ein starkes Signal: Sozialer Zusammenhalt endet nicht am Werkstor – und Mitbestimmung nicht an der Grenze.

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