Verbrechensbekämpfung war in der EU lange Zeit Aufgabe der Mitgliedstaaten: Bis 2021 durften nur nationale Behörden Straftaten wie Unterschlagung, Korruption und Betrug in Zusammenhang mit EU-Geldern untersuchen und strafrechtlich verfolgen. Die Zuständigkeit endete an der Grenze zum Nachbarland. Dass die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten nur gering ausgeprägt war, erschwerte die Strafverfolgung zusätzlich. Selbst der europäischen Antibetrugsbehörde OLAF waren die Hände gebunden, denn OLAF darf nur ermitteln, aber nicht anklagen. Davon profitierten kriminelle Banden und das in einem immens großen Ausmaß: Jahr für Jahr gingen den Mitgliedstaaten allein durch grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug rund 50 Milliarden Euro verloren. Dies änderte sich fundamental durch die Gründung der Europäischen Staatsanwaltschaft EPPO, die Ende 2020 ihren Dienst aufnahm.
Die Europäische Staatsanwaltschaft darf als erste EU-Behörde überhaupt strafrechtlich ermitteln und Verbrechen gegen die Finanzinteressen der Europäischen Union zur Anklage bringen. EPPO handelt dabei absolut unabhängig von Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten; sie reagiert nur auf Strafanzeigen von Bürgerinnen und Bürgern – und das ungeheuer erfolgreich. „Ursprünglich haben wir mit etwa 3.000 Strafanzeigen pro Jahr gerechnet. Darauf waren Budget und Personalbedarf ausgerichtet. Doch schon nach gut 2 1/2 Monaten waren wir fast bei der Hälfte – da liefen bereits 350 offizielle Untersuchungen“, freut sich Jens Geier. Zur Zeit verfolgt die Staatsanwaltschaft parallel 1117 Fälle, mit einem Gesamtschaden von mehr als 14 Milliarden Euro.
„Die Europäische Staatsanwaltschaft kann noch viel mehr – wenn wir sie lassen! Um effektiv arbeiten zu können, brauchte EPPO mehr Staatsanwälte und mehr Budget, z.B. für Investitionen in die IT“, erläutert Jens. Ein Anliegen, das er deswegen im Parlament massiv unterstützte und vorantrieb. Am Ende mit Erfolg: Nach harten Verhandlungen gelang es der S&D-Fraktion, einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu erreichen und 17 Millionen Euro Zusatzmittel und 100 neue Stellen für die europäische Staatsanwaltschaft durchzusetzen. Viel Geld, aber gut angelegt, denn die Europäische Staatsanwaltschaft holt deutlich mehr Geld rein, als sie kostet. Viele Gerichtsprozesse, die jetzt bereits laufen, hätten ohne die Europäische Staatsanwaltschaft Jahre gedauert oder überhaupt nicht stattgefunden.
„Verbrechen zulasten des Europäischen Haushalts sind Verbrechen zulasten der europäischen Steuerzahler*innen!“, stellt Jens klar. „Wer die Interessen der Bürger:innen in Europa schützen will, braucht auch eine schlagkräftige Staatsanwaltschaft. Ich bin froh, dass wir hier einen Beitrag leisten konnten.“