Ende des demokratischen Konsenses im Europaparlament: EVP beendet Brandmauer und arbeitet offen mit AfD zusammen

Bisher gab es unter den Demokrat:innen in Europa klare Regeln im Umgang mit radikalen Rechten. Es gibt eine klare Brandmauer, die jede Form von Zusammenarbeit mit jenen unterbindet, die Antisemitismus, Rassismus oder Nationalismus vertreten. Nicht nur Sozialdemokrat:innen, Linke und Grüne, auch Liberale und Konservative schlossen sich dem „Cordon sanitare“ an. Doch ausgerechnet seit die Rechten in Europa immer stärker werden, beginnt die Brandmauer zu bröckeln – nicht nur in den Mitgliedstaaten, nun auch im Europaparlament.

EVP stimmt für AfD-Resolution

In der Oktober-Plenarsitzung unterstützten die Abgeordneten der Europäischen Volkspartei EVP mit ihrem Vorsitzenden Manfred Weber (CSU) eine Resolution der AfD und verschafften ihr damit die notwendige Mehrheit. Konkret handelte es sich um eine Absichtserklärung zum europäischen Haushalt, die festlegt, wie die Mittel genau verwendet werden sollen, nämlich zum Bau von Mauern und Stacheldraht entlang der EU-Außengrenzen. Auch ein weiterer Antrag der AfD für die Einrichtung von Abschiebelagern fand die Zustimmung der Christdemokratinnen und Christdemokraten. Der zuständige AfD-Abgeordnete feierte diesen gemeinsamen Abstimmungserfolg als „historischen Tag“, rechte Medien und Meinungsmacher riefen schon kurz nach der Abstimmung das „Ende der Brandmauer“ aus.

Ein systematischer Kurswechsel

Tatsächlich handelt sich bei diesem Tabubruch nicht um einen Einzelfall. Bereits im September hatte die EVP gemeinsam mit der rechtsextremen Fraktion „Patrioten für Europa“ eine Resolution zu den Wahlen in Venezuela unterstützt. Auch bei den Anhörungen für die neuen Kommissar:innen zeigte sich die neue Zusammenarbeit: Gemeinsam mit den rechten Fraktionen stimmte die EVP für eine Änderung des Zeitplans, um Raffaele Fitto, einem Vertrauten der rechtsextremen italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni, einen Vorteil in den Anhörungen gegenüber der sozialdemokratischen Kandidatin Teresa Ribera zu verschaffen.

Manfred Weber nimmt für die EVP allem Anschein nach einen strategischen Kurswechsel vor. Seit der Europawahl im Juni ist keine Mehrheit links der EVP im Europaparlament mehr möglich- an ihr führt nun kein Weg mehr vorbei. „Manfred Weber muss keine anstrengenden oder unangenehmen Kompromisse mehr mit uns Demokrat:innen verhandeln. Er hat jetzt gleich drei rechte Fraktionen, mit denen der seine politischen Positionen deutlich einfacher durchsetzen kann“, beschreibt Jens Geier die Situation.

Weber verleiht Rechtsextremen politische Legitimation

Die Zusammenarbeit der Konservativen mit rechtsextremen Fraktionen birgt immense Gefahren: Sie normalisiert rechte Positionen und rückt sie in die Mitte des Parlaments. Die Christdemokrat:innen verleihen den Rechtsextremen damit politische Legitimation und tragen zur weiteren Polarisierung in Europa bei – nur wenige Wochen nach der Wahl von Ursula von der Leyen mit sozialdemokratischen Stimmen.

„Das ist eine gefährliche Entwicklung“, sagt Jens. „Wir haben uns bei der Wiederwahl von Ursula von der Leyen darauf verständigt, dass Demokrat:innen zusammenstehen müssen. Doch kaum ist die Wahl vorbei, kuscheln Manfred Weber und die EVP mit Rechtspopulisten und Faschisten! Das macht mich fassungslos.“

Konsequenzen für die EU

Die Ereignisse im Europaparlament zeigen, wie wichtig es ist, die Brandmauer gegen rechts zu verteidigen. Die Zusammenarbeit mit rechtsextremen Fraktionen schwächt die demokratische Einheit und gibt populistischen Kräften Raum, Ängste und Vorurteile weiter zu schüren. Wie Jens betont: „Der demokratische Grundkonsens in Europa kann nur bewahrt werden, wenn alle Demokrat:innen zusammenhalten. Die EVP muss jetzt beweisen, dass sie diesen Konsens nicht aufkündigt und aus machttaktischem Kalkül zur neuen Normalität wird.“

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