Zwischenstand: Konservative im Europa-Parlament und Mitgliedstaaten wollen Lieferkettengesetz bis zur Unwirksamkeit abschwächen

 

Das erste europäische Lieferkettengesetz soll wirkungsvoll dafür sorgen, dass große Unternehmen Kinder- oder Zwangsarbeit und Umweltschäden in ihren internationalen Lieferketten verhindern. Ein großes, dringend notwendiges Vorhaben, das zur Zeit parallel sowohl von den Mitgliedstaaten als auch vom Parlament beraten wird.

Als erstes hat sich Anfang Dezember 2022 der Rat, also die EU-Institution der Regierungen, mit knapper Mehrheit auf eine Position geeinigt. Aufgrund der harten Opposition einiger Mitgliedstaaten gestalteten sich die Verhandlungen zum Teil zäh und schwierig. Aber auch Dank des Einsatzes der Bundesregierung wurde am Ende das in dieser Situation bestmögliche Ergebnis herausverhandelt. Dazu gehört, dass u.a. Klima- und Umweltschutzpläne für Unternehmen verpflichtend werden. Außerdem wurde ein risikobasierter Ansatz eingeführt, der das Gesetz praxistauglicher und effektiver machen soll.

Schattiger Minimalkompromiss der Mitgliedstaaten

Die Mitgliedstaaten haben gegen einen Anwendungsbereich für die gesamte Lieferkette gestimmt. Nur noch direkte Geschäftspartner*innen und das Recycling bzw. Abfallmanagement sollen nach dem Wunsch des Rates von der neuen Richtlinie abgedeckt werden. Auch die Pflicht zu prüfen, ob eigene Produkte menschenrechtskonform eingesetzt werden, entfällt. Der Export von Waffen und Überwachungstechnologie in autoritäre Regime wäre damit weiterhin legal. Außerdem können die Mitgliedstaaten nun selbst entscheiden, ob das neue Gesetz für den eigenen Finanzsektor überhaupt -gelten soll. Im schlechtesten Fall können sich Finanzinstitutionen in einigen Mitgliedstaaten so ihrer Verantwortung für Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz entziehen.

Konservative wollen Charakter des Lieferkettengesetzes im Rechtsausschuss kippen

Mehr als 200 Änderungsanträge hat nun auch die Europäische Volkspartei im Rechtsausschuss des Parlaments eingebracht. Dazu gehört u.a., diverse Vorgaben für Unternehmen zum Klimaschutz zu streichen und den Start der vollständigen Anwendung auf 2033 zu verschieben. Geht es nach dem Willen der Konservativen, dann sollen die Sorgfaltspflichten von Unternehmen außerdem erst an den Außengrenzen der EU beginnen und nicht auch auf das Wirtschaften von Unternehmen innerhalb der EU angewendet werden. Dabei ist bekannt, dass es in manchen Mitgliedstaaten der EU, zum Beispiel im Obst- und Gemüseanbau, zu moderner Sklaverei kommt. Ein Zusammenschluss von 130 Organisationen, darunter Amnesty International, der DGB und der BUND zeigte sich darüber entsetzt und forderten die EVP mit ihrem Schattenberichterstatter Axel Voss zum Umdenken auf.

Sobald Rat und Parlament beide eine Position beschlossen haben, wird im Trilog, also den gemeinsamen Verhandlungen von Rat, Parlament und Kommission, ein gemeinsamer Kompromiss erarbeitet. Wann das neue Lieferkettengesetz verabschiedet wird und in Kraft tritt, ist dementsprechend noch nicht klar.

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