Europäischer Mindestlohn – arm trotz Arbeit ist bald Vergangenheit!

©Canva

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung haben eines unserer wichtigsten Vorhaben umgesetzt: Seit dem 1. Oktober beträgt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland zwölf Euro brutto pro Stunde. Damit liegen wir auf Platz 2 im europäischen Ranking, denn nur in Luxemburg ist der Mindestlohn mit 13,05 EUR höher. Schlusslicht ist Bulgarien mit 2 Euro. Die Unterschiede beim gesetzlichen Mindestlohn in Europa sind groß, doch in einem Punkt gleicht sich die Situation in vielen Mitgliedstaaten: Die von den nationalen Parlamenten festgelegten Mindestlöhne sind zu niedrig, um Arbeitnehmende trotz eines Vollzeitjobs vor Armut zu schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste der Mindestlohn in Europa mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens im jeweiligen Mitgliedstaat entsprechen. Das schaffen bislang nur 3 von 27 Mitgliedstaaten: Frankreich, Portugal – und mit dem neuen Mindestlohn jetzt auch Deutschland. Doch europaweit sind mehr als 20 Millionen Menschen trotz Arbeit von Armut bedroht.

Die neue europäische Richtlinie, die der Rat am 4. Oktober endlich angenommen hat, ist genau das richtige Instrument, um diese unhaltbare Situation zu beenden und angemessene, armutsfeste Mindestlöhne durchzusetzen. Aufgabe des neuen EU-Gesetzes ist kein EU-weiter einheitlicher Mindestlohn, sondern länderspezifische Regelungen, die auf den Durchschnittslöhnen in den Mitgliedstaaten beruhen. Sozialdemokrat*innen haben lange und am Ende erfolgreich dafür gekämpft, dass der Mindestlohn eines Landes mindestens 60 Prozent des nationalen mittleren Einkommens bzw. 50 Prozent des Bruttodurchschnittslohns betragen soll. Damit keiner schummeln oder schönrechnen kann, legt die neue Richtlinie gemeinsame Berechnungs- und Statistikstandards fest. Die konkrete Höhe des Mindestlohns wird dann von jedem Mitgliedstaat in einem eigenen Gesetz festgeschrieben und umgesetzt.

Doch es geht noch um viel mehr: Ein Blick in die Mitgliedstaaten zeigt, dass das Lohnniveau dort am höchsten ist, wo starke Gewerkschaften und eine hohe Tarifbindungsquote existieren. Das ist in Ländern wie Dänemark, Finnland, Schweden und Österreich der Fall. Hier existiert gar kein Mindestlohn, denn die unteren Lohngrenzen werden mit den Tarifverträgen ausgehandelt und liegen für die weit überwiegende Mehrheit bereits jetzt oberhalb des theoretischen Mindestlohnniveaus. Dänemark und Schweden hatten deswegen Bedenken geäußert, die aufgegriffen und gelöst wurden. Die neue Richtlinie legt jetzt nicht nur Standards für europäische Mindestlöhne fest, sondern stärkt auch maßgeblich Tarifautonomie und Gewerkschaften: Wenn die Tarifbindung in einem Mitgliedstaat unter 80 Prozent liegt, dann muss die jeweilige nationale Regierung zukünftig einen Aktionsplan aufstellen, damit Schritt für Schritt mehr Arbeitnehmende von Tarifverträgen profitieren können. Der Aktionsplan muss konkrete Maßnahmen und klare Zeitvorgaben beinhalten.

„Die neue Richtlinie ist ein Meilenstein europäischer Gesetzgebung!“ sagt Jens Geier. „Sie zeigt, dass wir es mit dem ‚sozialen Europa‘ ernst meinen und den Kampf für Lohngerechtigkeit entschieden führen. Denn der europäische Mindestlohn ist kein zahnloser Tiger, sondern eins der stärksten politischen Instrumente der EU überhaupt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihn umzusetzen. Die Kommission wird das kontrollieren und gegebenenfalls sogar ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.“ Hält sich also ein Mitgliedstaat nicht an die beschlossenen Regeln zum Mindestlohn in Europa, kann die Kommission EU-Gelder einbehalten. Auch die Aktionspläne zur Stärkung der Tarifbindung werden von der Kommission mindestens alle 5 Jahre überprüft.

Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationale Gesetze umzusetzen. „Mit Blick auf die explodierenden Preise für Lebensmittel und Energie, würde ich mir im Interesse der Arbeitnehmenden deutlich mehr Tempo wünschen! Ich bin froh, dass die deutsche Bundesregierung diesen Schritt schon gegangen ist und wenigstens deutsche Beschäftigte bereits ab diesem Monat mehr Geld in der Tasche haben!“, sagt Jens Geier.

News

Top Thema

„Zusätzliche Mittel für Arbeitnehmer*innen und Gleichstellung“ – Parlament billigt EU-Haushalt 2024

Die Aufgaben der EU wachsen, etwa beim Wandel der Wirtschaft zur Klimaneutralität oder bei globalen Handelskonflikten. Doch das Budget ist derzeit für 27 EU-Staaten nicht einmal doppelt so groß wie der NRW-Haushalt. Das Europaparlament hat deshalb am heutigen Mittwoch dafür gestimmt, im kommenden Jahr zusätzliche Mittel im EU-Haushalt bereitzustellen.

Weiterlesen »
Europa mittendrin

„EU setzt mit neuer Methan-Verordnung globale Standards“ – Einigung zwischen EU-Parlament und Mitgliedstaaten

In der vergangenen Nacht haben sich das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten in interinstitutionellen Verhandlungen auf die erste EU-Verordnung zur Reduzierung von Methan im Energiesektor verständigt. Die EU wird damit erstmalig Methan-Emissionen in der Energie-Industrie vermindern und damit global Standards setzen. Das Treibhausgas Methan verursacht laut EU-Kommission etwa ein Drittel der Klima-Erwärmung. Rund 60 Prozent der weltweiten Methan-Emissionen sind menschengemacht. Zu den größten Quellen gehört die Nutzung fossiler Brennstoffe.

Weiterlesen »
Top Thema

Grünes Licht für neue Einnahmequellen der EU

Das EU-Parlament hat seine Position zur Einführung von neuen, sogenannten Eigenmitteln beschlossen. Ein CO2-Grenzausgleich, der erweiterte Emissionshandel sowie ein Eigenmittel basierend auf Unternehmensgewinnen, würden der EU dringend benötigte Einnahmequellen verschaffen, um die Finanzierung neuer Prioritäten sowie die Rückzahlung des Wiederaufbaufonds zu stemmen.

Jens Geier, Vorsitzender der Europa-SPD und haushaltspolitischer Sprecher:
„Für uns Sozialdemokrat*innen ist klar, dass wir die Finanzierung des EU-Haushaltes auf eine breitere Basis stellen müssen. Die Vorschläge der EU-Kommission auf Grundlage eines CO2-Grenzausgleichs, des erweiterten Emissionshandels, sowie eines neuen Eigenmittels basierend auf Unternehmensgewinnen, sind richtig und begrüßenswert.

Weiterlesen »
SPD im Europäischen Parlament

„Bessere Zusammenarbeit statt goldene Wasserhähne“ – Parlament fordert höheres EU-Budget für 2024

Das EU-Parlament hat soeben in Straßburg mit Mehrheit dafür gestimmt, mehr Geld in Forschung, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz des EU-Haushaltes vor Missbrauch zu investieren. Auch für das erfolgreiche Bildungsprogramm Erasmus Plus und in der Gesundheitspolitik soll es deutlich mehr Mittel geben.

Jens Geier, Vorsitzender und haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten:
„Die Aufgaben der EU lassen sich glaubhaft nur erfüllen, wenn wir den langfristigen Haushaltsrahmen der EU überarbeiten. Zusätzliche Gelder für Forschung, für den Studierendenaustausch Erasmus Plus und für den Wandel zu einer klimaneutralen Gesellschaft, wie jetzt vom Parlament vorgeschlagen, kann es nur dann geben, wenn die nationalen Finanzminister*innen sich zügig beim Finanzrahmen einigen.

Weiterlesen »

Teile diesen Beitrag

Das könnte Ihnen auch gefallen