Die europäische Asyl- und Migrationspolitik ist eine der ganz großen offenen Baustellen in der EU. Seit Jahren ist Europa das Ziel vieler Geflüchteter, doch die EU kann sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen und gemeinsame Regeln einigen. Dies liegt vor allem an einigen Mitgliedstaaten, die im Rat bislang jeden Kompromiss blockiert haben. „Gemeinsames Vorgehen ist der Schlüssel“, sagt Jens Geier. „Wir brauchen dringend ein funktionierendes System, dass die ankommenden Geflüchteten gerecht auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilt, anstatt die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen bei der Bewältigung allein zu lassen.“
Doch jeder Vorschlag für einen Verteilungsschlüssel wurde in den letzten Jahren von Ländern wie Österreich, Polen oder Ungarn abgeschmettert. Mehr noch: Der Rat befasste sich allenfalls am Rande noch mit dem drängenden Thema. Trotz tausender Toter im Mittelmeer und wieder ansteigender Flüchtlingszahlen beschäftigte sich der Rat beim letzten Treffen nur eine knappe halbe Stunde mit dem Thema Asyl und Migration.
Das Europaparlament hat nun einen neuen Katalog von Maßnahmen beschlossen, der mit Kommission und Rat verhandelt werden wird. Zu dem neuen Vorschlag gehören langfristige und verbindliche Vereinbarungen über Kontrolle und Zusammenarbeit an den Außengrenzen. Teil der Lösung ist das sog. Screeningverfahren, mit dem alle Geflüchteten registriert werden und eine Identitäts- und Sicherheitsprüfung durchlaufen. „Das Screeningverfahren ist wichtig“, sagt Jens Geier. „Damit behält die EU die Kontrolle, wer einreist und wir schaffen gleichzeitig eine bessere Grundlage für die anschließenden Asylverfahren. Besonders Gefährdete bekommen so schnell Unterstützung.“
Auch ein effektives Asyl- und Migrationsmanagement, neue Regeln zum Asylverfahren wie handfeste und verpflichtende Solidaritätsmaßnahmen bei der Seenotrettung und zum Krisenmanagement sind Bestandteil der beschlossenen Strategie.
Doch die Konservativen im Europaparlament schlugen sich auf die Seite der Rechtsextremist:innen und Rechtspopulist:innen. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei Manfred Weber forderte einen Kurswechsel in der Migrationspolitik und deutlich härtere Maßnahmen gegenüber Migrant:innen. Er stellte einen Drei-Punkte-Plan vor, der u.a. den Bau von Zäunen an den EU-Außengrenzen vorsieht. Asylanträge sollen nicht mehr in der EU, sondern von außerhalb gestellt werden. Außerdem sollen zivile Hilfsorganisationen keine Seenotrettung mehr betreiben dürfen. „Als Donald Trump mit dem Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze Wahlkampf gemacht hat, haben wir alle gemeinsam den Kopf über diese dumme Idee geschüttelt. Und jetzt greifen die Konservativen selbst zum populistischen Holzhammer. Das ist beschämend, vor allem für eine Partei mit proeuropäischen Wurzeln wie die EVP“, sagt Jens. Er hofft, dass die Verhandlungen mit Rat und Kommission schnell beginnen, damit eine rationale Einigung noch vor den Europawahlen im Sommer 2024 möglich ist.